Volkstrauertag am 14.11.2021

Zum Gedenken an die Kriegstoten und an die Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen legten auch zum Volkstrauertag am 14. November Ortsvorsteher und Vertreter des Stadtrates, des Ortschaftsrates und der Stadtverwaltung an insgesamt neun Kriegsdenkmälern Kränze nieder.

Vertreter des Stadtrates und der Stadtverwaltung bei der Kranzniederlegung am Denkmal für die gefallenen Sportler im 1. Weltkriegzoom
Vertreter des Stadtrates und der Stadtverwaltung bei der Kranzniederlegung am Denkmal für die gefallenen Sportler im 1. Weltkrieg

In der Ortschaft Bretnig-Hauswalde ging der Ortsvorsteher Reinhard Marz in einer emotionalen Rede zunächst auf die Geschichte des Volkstrauertages ein. Ursprünglich wurde der Gedenktag für die über zwei Millionen gestorbenen Soldaten im Ersten Weltkrieg initiiert. Die erste Gedenkstunde dazu fand am 5. März 1922 im Berliner Reichstag statt. Der Volkstrauertag selbst wurde erstmals am 1. März 1925 begangen.
Die Nationalsozialisten hatten 1934 den Volkstrauertag zum „Heldengedenktag“ umbenannt und nur noch ihre gefallenen Kameraden betrauert. Inzwischen wird auch um der schätzungsweise über 70 Millionen Toten des zweiten Weltkrieges sowie der Kriege weltweit danach gedacht. Heute ist der Volkstrauertag ein Tag, der zu Versöhnung, Verständigung und Frieden mahnt.

Der Ortsvorsteher bat die Anwesenden sich vorzustellen, sie seien im Jahr 1922 als Junge geboren worden. Mit kaum 18 Jahren wären sie dann zum Wehrdienst eingezogen worden und hätten in den Krieg, den 2. Weltkrieg, ziehen müssen.

Sein Vater sei 1922 geboren worden und habe den 2. Weltkrieg erlebt und zum Glück auch überlebt, sonst wäre er heute nicht hier.
Er selbst wurde 1957 – knapp 12 Jahre nach Kriegsende - geboren. Auch wenn da schon vieles wieder aufgebaut gewesen sei, habe er damals noch viele Überbleibsel des Krieges gesehen: Neben den Trümmern denke er dabei an Männer ohne Beine im Rollstuhl, Männer mit nur einem Bein auf Gehstützen, Männer mit nur noch einem Arm…
Alle Teilnehmer*innen an der heutigen Veranstaltung würden den Krieg nur aus Büchern, Zeitungen und Filmen kennen. Und dies lasse schon die Grausamkeit des Krieges erkennen.

Hiernach stellte er die Frage, ob man durch Kriege wirklich etwas gewinnen könne? Eine Frage, über die man stunden- und tagelang diskutieren könne, die er aber lieber mit dem Lied „99 Luftballons“ der Künstlerin Nena beantwortete. Worin es unter anderem lautet:
„Neunundneunzig Jahre Krieg - Ließen keinen Platz für Sieger - Kriegsminister gibt's nicht mehr - Und auch keine Düsenflieger - Heute zieh' ich meine Runden - Seh' die Welt in Trümmern liegen“

Und genau das bleibe immer am Ende eines Krieges: Trümmer und unermessliches Leid.
Abschließend wünschte Reinhard Marz allen Teilnehmenden, dass „wir in unserer Region weiterhin von Kriegen verschont bleiben, und dass die Welt irgendwann einmal eine bessere wird und wir das vielleicht sogar noch erleben.“

stellvertretender Ortsvorsteher Siegfried Mager, Stellvertreterin des Bürgermeisters Monika Maßwig, Ortsvorsteher Reinhard Marz und die Ortschaftsräte Jürgen Vogt und Sven Schreier mit Sohn (v.r.n.l.)zoom
stellvertretender Ortsvorsteher Siegfried Mager, Stellvertreterin des Bürgermeisters Monika Maßwig, Ortsvorsteher Reinhard Marz und die Ortschaftsräte Jürgen Vogt und Sven Schreier mit Sohn (v.r.n.l.)

Auch im Ortsteil Kleinröhrsdorf wurde den Gefallenen an diesem Tag gedacht. Ortsvorsteher, Ortschaftsräte und der Förderverein Kleinröhrsdorf e.V. trafen sich hierfür an den Denkmälern auf dem Friedhof. Ortsvorsteher Peter Nietzold las in diesem Rahmen zwei Tagebucheinträge von Soldaten vor:

Freitag, 27. Juni 1941
Der Gefreite Reinhold Pabel * 1915, im Osten
Gestern wieder einen guten Kameraden verloren [...]. Der Krieg ist anders als in jedem Buch [...]. Wie man am Dasein hängt, am einfachen, bloßen, nackten Da-Sein-Dürfen, wenn man es entrinnen sieht wie Wasser zwischen den Fingern.

Der Soldat Jakov Diorditza
1920 – 2000, Sowjetunion
Nie werde ich diese unendlichen Kolonnen von Kriegsgefangenen auf den staubigen Wegen Rußlands unter der heißen Sonne vergessen. Viele von uns waren verwundet, die Wächter erschossen diejenigen, die nicht mehr mitmarschieren konnten. [...] Man warf dann die Leichen in einen Graben am Straßenrand und bedeckte sie mit Erde. Die Angehörigen würden nie erfahren, wo ihr Vater, Sohn oder Bruder begraben wurde, um ihn zu beweinen. […]

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Kranzniederlegung am Friedhof Kleinröhrsdorf

Darüber hinaus nahm der Förderverein Kleinröhrsdorf e.V. diesen Tag zum Anlass, um ein Grabkreuz für einen unbekannten Soldaten auf dem Friedhof in Kleinröhrsdorf wieder zu errichten. Das Grab befand sich schon immer an der linken Friedhofsmauer, gleich hinter dem Eingang zum Friedhof. Leider ist dieses Grab in Vergessenheit geraten und verfallen. Nur durch die Initiative der AG Ortschronik und insbesondere hier durch Herrn Dieter Bulling wurde die Grabstelle wieder freigelegt und mit einem schlichten Holzkreuz versehen. In seiner Rede zur Grabstätte beschrieb Ortschronist Ralf Granzow: „Wenn ich an die Waldspaziergänge in meiner Kindergartenzeit zurückdenke, so erinnere ich mich an eine Grabstelle im Wald ganz in der Nähe der Schrebergartensiedlung nahe der Eisenbahnlinie. Dort haben Einwohner im Jahr 1945 ein Soldatengrab mit schlichtem Holzkreuz und einen Stahlhelm obendrauf errichtet.“ Vermutlich im Jahr 1971 wurde der Leichnam exhumiert und die sterblichen Überreste auf dem Kleinröhrsdorfer Friedhof wieder beigesetzt. Leider konnte auch bei der Umbettung die Identität des Soldaten nicht ermittelt werden. Laut Herrn Granzow kann hier nur vermutet werden, dass eben dieser deutsche Soldat sich in den letzten Kriegstagen von seiner Einheit entfernt hatte. Möglicherweise war für ihn der Krieg verloren und er wollte sein Leben nicht in den letzten Kriegstagen sinnlos opfern. Eine SS-Einheit hat ihn dann aufgespürt und dort wegen Fahnenflucht standrechtlich erschossen.
So gedachten die Anwesenden im Stillen einem Soldaten, der sich aus unbekannten Gründen der Kriegslogik entzogen hat: Sei es aus der Erkenntnis, dass militärische Mittel keine Lösung sind, sei es erlittene Schikanen, sei es Kriegsmüdigkeit oder war es der einfache Wunsch zu leben und nicht in den letzten Kriegstagen einen sinnlosen Tod zu sterben. „Das Gedenken, das Nachdenken über diese Menschen und ihre Entscheidungen wirft auch für die heutige Zeit und heutige Entscheidungen Fragen auf. Fragen nach der persönlichen Moral und nach der Sinnhaftigkeit eines Krieges.“ mahnte Ralf Granzow abschließend.

Ralf Granzow an der Grabstätte des unbekannten Soldatenzoom
Ralf Granzow an der Grabstätte des unbekannten Soldaten

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