Zum Gedenken an die Kriegstoten und an die Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen legten auch zum Volkstrauertag am 14. November Ortsvorsteher und Vertreter des Stadtrates, des Ortschaftsrates und der Stadtverwaltung an insgesamt neun Kriegsdenkmälern Kränze nieder.
In der Ortschaft
Bretnig-Hauswalde ging der Ortsvorsteher Reinhard Marz in einer emotionalen
Rede zunächst auf die Geschichte des Volkstrauertages ein. Ursprünglich wurde
der Gedenktag für die über zwei Millionen gestorbenen Soldaten im
Ersten Weltkrieg initiiert. Die erste Gedenkstunde dazu fand am 5. März 1922 im
Berliner Reichstag statt. Der Volkstrauertag selbst wurde erstmals am 1. März
1925 begangen.
Die Nationalsozialisten
hatten 1934 den Volkstrauertag zum „Heldengedenktag“ umbenannt und nur noch
ihre gefallenen Kameraden betrauert. Inzwischen wird auch um der
schätzungsweise über 70 Millionen Toten des zweiten Weltkrieges sowie der
Kriege weltweit danach gedacht. Heute ist der Volkstrauertag ein Tag, der zu
Versöhnung, Verständigung und Frieden mahnt.
Der Ortsvorsteher bat die
Anwesenden sich vorzustellen, sie seien im Jahr 1922 als Junge geboren worden.
Mit kaum 18 Jahren wären sie dann zum Wehrdienst eingezogen worden und hätten
in den Krieg, den 2. Weltkrieg, ziehen müssen.
Sein Vater sei 1922
geboren worden und habe den 2. Weltkrieg erlebt und zum Glück auch überlebt,
sonst wäre er heute nicht hier.
Er selbst wurde 1957 –
knapp 12 Jahre nach Kriegsende - geboren. Auch wenn da schon vieles wieder
aufgebaut gewesen sei, habe er damals noch viele Überbleibsel des Krieges
gesehen: Neben den Trümmern
denke er dabei an Männer ohne Beine im Rollstuhl, Männer mit nur einem Bein auf
Gehstützen, Männer mit nur noch einem Arm…
Alle Teilnehmer*innen an
der heutigen Veranstaltung würden den Krieg nur aus Büchern, Zeitungen und
Filmen kennen. Und dies lasse schon die Grausamkeit des Krieges erkennen.
Hiernach stellte er die
Frage, ob man durch Kriege wirklich etwas gewinnen könne? Eine Frage, über die
man stunden- und tagelang diskutieren könne, die er aber lieber mit dem Lied „99
Luftballons“ der Künstlerin Nena beantwortete. Worin es unter anderem lautet:
„Neunundneunzig Jahre Krieg - Ließen
keinen Platz für Sieger - Kriegsminister gibt's nicht mehr - Und auch keine
Düsenflieger - Heute zieh' ich meine Runden - Seh' die Welt in Trümmern liegen“
Und genau das
bleibe immer am Ende eines Krieges: Trümmer und unermessliches Leid.
Abschließend
wünschte Reinhard Marz allen Teilnehmenden, dass „wir in unserer Region
weiterhin von Kriegen verschont bleiben, und dass die Welt irgendwann einmal
eine bessere wird und wir das vielleicht sogar noch erleben.“
Auch im
Ortsteil Kleinröhrsdorf wurde den Gefallenen an diesem Tag gedacht. Ortsvorsteher,
Ortschaftsräte und der Förderverein Kleinröhrsdorf e.V. trafen sich hierfür an
den Denkmälern auf dem Friedhof. Ortsvorsteher Peter Nietzold las in diesem
Rahmen zwei Tagebucheinträge von Soldaten vor:
Freitag, 27.
Juni 1941
Der Gefreite Reinhold Pabel * 1915, im Osten
Gestern wieder einen guten Kameraden verloren [...]. Der Krieg ist anders als
in jedem Buch [...]. Wie man am Dasein hängt, am einfachen, bloßen, nackten
Da-Sein-Dürfen, wenn man es entrinnen sieht wie Wasser zwischen den Fingern.
Der Soldat
Jakov Diorditza
1920 – 2000, Sowjetunion
Nie werde ich diese unendlichen Kolonnen von Kriegsgefangenen auf den staubigen
Wegen Rußlands unter der heißen Sonne vergessen. Viele von uns waren verwundet, die
Wächter erschossen diejenigen, die nicht mehr mitmarschieren konnten. [...] Man warf
dann die Leichen in einen Graben am Straßenrand und bedeckte sie mit Erde. Die
Angehörigen würden nie erfahren, wo ihr Vater, Sohn oder Bruder begraben wurde,
um ihn zu beweinen. […]
Darüber hinaus
nahm der Förderverein Kleinröhrsdorf e.V. diesen Tag zum Anlass, um ein
Grabkreuz für einen unbekannten Soldaten auf dem Friedhof in Kleinröhrsdorf
wieder zu errichten. Das Grab befand sich schon immer an der linken
Friedhofsmauer, gleich hinter dem Eingang zum Friedhof. Leider ist dieses Grab
in Vergessenheit geraten und verfallen. Nur durch die Initiative der AG
Ortschronik und insbesondere hier durch Herrn Dieter Bulling wurde die
Grabstelle wieder freigelegt und mit einem schlichten Holzkreuz versehen. In
seiner Rede zur Grabstätte beschrieb Ortschronist Ralf Granzow: „Wenn ich an
die Waldspaziergänge in meiner Kindergartenzeit zurückdenke, so erinnere ich mich
an eine Grabstelle im Wald ganz in der Nähe der Schrebergartensiedlung nahe der
Eisenbahnlinie. Dort haben Einwohner im Jahr 1945 ein Soldatengrab mit
schlichtem Holzkreuz und einen Stahlhelm obendrauf errichtet.“ Vermutlich im
Jahr 1971 wurde der Leichnam exhumiert und die sterblichen Überreste auf dem
Kleinröhrsdorfer Friedhof wieder beigesetzt. Leider konnte auch bei der Umbettung die
Identität des Soldaten nicht ermittelt werden. Laut Herrn Granzow kann hier
nur vermutet werden, dass eben dieser deutsche Soldat sich in den letzten
Kriegstagen von seiner Einheit entfernt hatte. Möglicherweise war für ihn der
Krieg verloren und er wollte sein Leben nicht in den letzten Kriegstagen
sinnlos opfern. Eine SS-Einheit hat ihn dann aufgespürt und dort wegen
Fahnenflucht standrechtlich erschossen.
So gedachten
die Anwesenden im Stillen einem Soldaten, der sich aus unbekannten Gründen der
Kriegslogik entzogen hat: Sei es aus der Erkenntnis, dass militärische Mittel
keine Lösung sind, sei es erlittene Schikanen, sei es Kriegsmüdigkeit oder war
es der einfache Wunsch zu leben und nicht in den letzten Kriegstagen einen
sinnlosen Tod zu sterben. „Das Gedenken, das Nachdenken über diese Menschen und
ihre Entscheidungen wirft auch für die heutige Zeit und heutige Entscheidungen Fragen auf. Fragen nach der persönlichen Moral und nach der Sinnhaftigkeit
eines Krieges.“ mahnte Ralf Granzow abschließend.
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