Ein kalter Wintertag im Februar 1850. Ein Postbote kämpft sich durch den verschneiten Winterwald von Pulsnitz nach Großröhrsdorf. In seinem Botenkorb einen wichtigen Brief an die Gemeinde. In ihm wird der Tod von Kantor Wolf angezeigt, der lange in Großröhrsdorf tätig war und seinen Ruhestand in Pulsnitz verbrachte.
In ihm wird der Tod von Kantor Wolf angezeigt, der lange in Großröhrsdorf tätig war und seinen Ruhestand in Pulsnitz verbrachte. Aber er hinterlässt die stattliche Geldsumme von 1.800,- Mark mit einem genau festgelegten Verwendungszweck: "Zinsen alljährlich am Todestag (8.2.) an 4-6 Witwen oder nur Feuerholzbeschaffung für solche". Am 20.09.1850 stimmt der Gemeindeausschuss dem Ansinnen zu und so entsteht die 1. Stiftung in der Gemeinde, die "Kantor-Wolf-Stiftung".
Es ist der Beginn des
Stiftungswesen in Großröhrsdorf. Doch worin besteht eigentlich der Sinn einer
Stiftung? Der Stifter bietet der Gemeinde eine Geldsumme an und die daraus
erwirtschafteten Zinsen kommen zur Verteilung. Dies legt der Stifter in seinem
"Stifterwillen" fest, z.B. für arme Leute, Schulausbildung für arme
Kinder usw., dafür wird die Stiftung nach ihm benannt. Wenn man das Geld direkt
einem Projekt hätte zuführen wollen, wäre ein Umweg über eine Stiftung nicht
vonnöten gewesen. Anfänglich waren Stiftungen selten. 1889 stirbt Firmengründer
Carl Gottlieb Großmann, der eine Summe von 5.000,- Mark für den Bau eines
Krankenhauses hinterlässt. Seine Erben erhöhen die Summe auf 50.000,- Mark und
stellen weitere 50.000,- Mark zur Bewirtschaftung des Krankenhauses zur
Verfügung. Hier wird Folgendes festgelegt: die 50.000,- Mark zum Unterhalt
werden angelegt. Die daraus erwirtschafteten Zinsen werden zu 2/3 verwendet und
1/3 werden zur Aufstockung des Grundkapitals genutzt, um einmal auf die Summe
von 100.000,- Mark zu kommen. Je höher das Grundkapital umso höher die Zinsen.
Bis zum Beginn des Ersten
Weltkrieges folgen weitere 15 Stiftungen. Das Ende des schrecklichen Krieges
bringt auch den Menschen in Großröhrsdorf Not und Elend. Um das abzumildern,
werden weitere sechs Stiftungen mit hohen Geldsummen ins Leben gerufen. Das
gesamte Stammvermögen belief sich im Jahr 1922 auf 211.414,50 Mark - was für
eine stolze Summe. Doch nur zwei Jahre später erfolgt die Katastrophe, die
Inflation fraß das Geld auf. Nach einer geringfügigen Aufwertung durch den
Freistaat Sachsen stand der Stadt 1926 die Summe von 25.014,29 Mark zur
Verfügung. Es folgten noch einige Stiftungen, sodass die Summe 1936 auf
52.970,66 Mark anwuchs. Jetzt erfolgte ein verwaltungstechnischer Akt. Aus den
31 Einzelstiftungen mit den unterschiedlichsten Stifterwillen wurde drei
Hauptschwerpunkte gebildet:
I. Stiftung für Arme
II. Stiftung zur
Unterhaltung des Stadtkrankenhauses
III. Stiftung für Schüler
Das jeweilige Stammvermögen
wir hier noch einmal genannt und den drei Kategorien zugeteilt. Das Ende des
Zweiten Weltkrieges mit seinem ungeheuren Leid und Elend bedeutete nicht das
Ende der Stiftungen. Im November 1948 wurde die Stadt durch das Ministerium des
Inneren aufgefordert sich zu seinen Stiftungen zu bekennen und sie wieder
aufleben zu lassen. In der Gemeindevertreter-Sitzung vom 21. März 1949 wird
beschlossen, die örtlichen Stiftungen unter dem Namen "Gemeinnützige
Stiftung städtischer Einwohner" weiterzuführen. Anhänglich erfolgt eine
genaue Auflistung der einzelnen Stiftungen, wobei zum ersten Mal von dem
"Dr. Linke Vermächtnis" die Rede ist. Der beliebte Dr. Linke
verstirbt 1941 und hinterlässt testamentarisch sein Haus Poststraße 1 der Stadt
mit der Zielsetzung, dass sein Grab (Äußerer Friedhof) 99 Jahre lang
unterhalten und gepflegt wird.
Allerdings werden ab 1949 keine weiteren Stiftungen mehr von Privatpersonen ins Leben gerufen. Auch werden die Schwerpunkte anders gesetzt. Eine Unterhaltung des Krankenhauses wird nicht mehr benötigt, da die medizinische Versorgung staatlich geregelt wird. Die Stiftung für Arme wird zur Unterstützung von kinderreichen Familien eingesetzt und die Stiftung für Schüler wird für Freizeitaktivitäten, wie Schneemannverbrennen zum Fasching, Nikolauseinzug oder auch Einigkeitsumzüge, eingesetzt. Doch das kostet alles Geld. Aus Verpachtungen, Mieten, Hypothekzinsen, vor allem aus den Erbbaupachtverträgen der Masseneisiedlung, konnten die benötigten Summen erzielt werden. Gleichzeitig wurde das Vermögen mit 4 % Zinsen verzinst und das bis 1989. Die Direktoren der jeweiligen Schulen schlugen die Kinder aus den kinderreichen Familien vor und es wurden jeweils 50,-DDR-Mark ausgezahlt. Die Einigkeitsumzüge kamen Ende der 60er Jahre zum Erliegen, nur 1980 (300 Jahre Bandweberei) und 1984 (35 Jahre DDR) erfolgte noch einmal ein Umzug. So blieb es bei den Kosten für Nikolauseinzug und Schneemannverbrennen. Auch die oben genannten Geldzuführungen gingen zur Neige. Bei einer Revision in der Stadtverwaltung 1988 wurde festgestellt, dass das Haus Dr. Linke mit seinen Mieteinnahmen und Unterhaltungsausgaben nichts in der Stiftung zu suchen hat, da es nur ein Vermächtnis war. Die Mieteinnahmen sind der Kommunalen Wohnungsverwaltung zuzuführen, was ab Februar 1989 auch geschah
Fortsetzung folgt...
Henry Honomichl
Stadtverwaltung Großröhrsdorf Rathausplatz 1 01900 Großröhrsdorf