Verein weckt 100-Jährigen Webstuhl aus dem Dornröschenschlaf

Kaum einer glaubte daran, doch die Mitglieder des Vereins Großröhrsdorfer Industrie- und Bandmuseum e.V. schafften das fast Unmögliche. Sie haben im letzten Jahr einen etwa 100 Jahre alten Gurtwebstuhl in der ehemaligen Weberei Johann Gottfried Schöne demontiert, aufwendig aufgearbeitet und schließlich im Technischen Museum der Bandweberei funktionsfähig aufgestellt.

Nun war es endlich soweit. Die letzten Kettfäden waren eingezogen, die zur Steuerung notwendigen Stiftleisten gesteckt und die Beleuchtung ausgerichtet. Großröhrsdorfs Bürgermeister Stefan Schneider war extra gekommen, um dem Spektakel beizuwohnen. Zum ersten Mal wurde der Webstuhl wieder in Betrieb genommen. Vereinsvorsitzender Bernd Hartmann rückte den Webstuhl ein, der Motor lief an und die Webschützen wurden durch das Webfach geschlagen. Zahnräder drehten sich, Hebel wurden gedrückt und Schäfte gehoben. Und tatsächlich funktionierte alles sprichwörtlich wie geschmiert. Der Webstuhl war aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und webte im Rhythmus der tanzenden Webschützen den gewünschten olivgrünen Gurt. Der 77-jährige Webermeister Bernd Hartmann strahlte und war sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis.

 v.l.n.r: Vereinsvorsitzender Bernd Hartmann, Bürgermeister Stefan Schneider und Vereinsmitglieder Wolfgang Rentsch und Frank Schmidt vor dem historischen Webstuhl.zoom
v.l.n.r: Vereinsvorsitzender Bernd Hartmann, Bürgermeister Stefan Schneider und Vereinsmitglieder Wolfgang Rentsch und Frank Schmidt vor dem historischen Webstuhl.

Bürgermeister Stefan Schneider beglückwünschte den Verein zur gelungenen Inbetriebnahme und freute sich darüber, dass im Technischen Museum der Bandweberei ein weiteres einmaliges Zeitzeugnis bewahrt und vorgeführt werden kann. Schon seit 340 Jahren gibt es in Großröhrsdorf die Bandweberei. Begonnen hat alles mit dem Heimweber George Hans, der schon 1680 Bänder webte. Aus den Heimwebereien entwickelten sich Fabriken und diese prägten die industrielle Entwicklung des Ortes. Die Region Großröhrsdorf wurde der Hauptsitz der Bandindustrie im Osten Deutschlands. Das Kombinat Bandtex galt als größte Bandweberei Europas. Diese Geschichte wird im Technischen Museum der Bandweberei eindrucksvoll vermittelt, auch an über fünfzehn unterschiedlichen und voll funktionsfähigen Bandwebstühlen und Webautomaten.

Der neu in Betrieb genommene Webstuhl wurde einst von der Firma C. H. Schäfer in Ohorn gebaut und lief in der Band- und Gurtweberei Johann Gottfried Schöne Großröhrsdorf. Dort hatte er seinen letzten Standort im 1936 gebauten Gebäude B im Weberei-Saal 3 und war noch bis zur Jahrtausendwende in Betrieb. Dann begann sein Dornröschenschlaf, aus dem er nur einmal kurz geweckt wurde. Zum Tag des offenen Denkmals des Jahres 2014 initiierten die letzte Inhaberin Annegret Schöne und der Museumsverein eine Öffnung des historischen Websaales mit Vorführung dieses Gurtwebstuhles. Danach zog dort wieder Stille ein. Als 2020, nach dem Tod von Annegret Schöne, der Gebäudekomplex geräumt wurde, konnte der Verein zahlreiche Exponate und historische Unterlagen erhalten. Im letzten Jahr wurde dazu schon eine Sonderausstellung im Museum präsentiert, die jetzt noch einmal umgestaltet wurde - mit dem neu aufgebauten historischen Webstuhl als Highlight.

Museumsmitarbeiter Patrick Zöllner hat schon Ideen zur weiteren Nutzung. So soll der Webstuhl im Rahmen von Veranstaltungen und Museumsführungen den Besuchern zugänglich gemacht und vorgeführt werden. Außerdem werden pädagogische Angebote mit Schülern des Landkreises Bautzen in den Räumen des Museums stattfinden, wobei der Webstuhl die Kulisse bildet und als technisches Anschauungsstück dient.

Bernd Hartmann (oben), Frank Schmidt (hinten) und Wolfgang Rentsch (vorn) beim Aufbau des 100-jährigen Webstuhles.zoom
Bernd Hartmann (oben), Frank Schmidt (hinten) und Wolfgang Rentsch (vorn) beim
Aufbau des 100-jährigen Webstuhles.

Bernd Hartmann lobte die fleißigen Mitglieder seines Vereins, die sich in über 300 Arbeitsstunden ehrenamtlich für den Aufbau engagierten. So reinigten die Vereinsmitglieder die einzelnen Maschinenteile umfangreich und reparierten diese bei Bedarf. Dabei wurden z.B. auch die beiden Schaftmaschinen komplett zerlegt und die vorhandenen Verunreinigungen entfernt. Mit Hilfe der Technischen Dienste der Stadt Großröhrsdorf wurden die Teile an ihren Bestimmungsort transportiert und vormontiert. Nachdem der Verein den Elektroanschluss für Motor und Beleuchtung realisierte und weitere Montage- und Einstellarbeiten in Eigenleistung durchführte, wurden die Kettscheiben für den Einbau vorbereitet und die Kettfäden eingezogen. Unterstützung beim Aufbau des Webstuhles bekam der Verein durch Mitarbeiter der Firma Huhle Stahlbau Großröhrsdorf mit entsprechender Technik. Die Firma Huhle passte auch die Antriebseinheit an die Gegebenheiten an. Die einheimischen Webereien F. A. Schurig, Elastic Belts sowie F. J. Rammer unterstützen den Aufbau. Hilfe kam auch von der Agrargenossenschaft Großröhrsdorf bei der Grobreinigung der Maschinenteile sowie von der Firma Bau Just mit der Bereitstellung eines Gerüstes. Gefördert wurde die Maßnahme mit Mitteln der Kulturförderung des Landkreises Bautzen.

Das Technische Museum der Bandweberei öffnet im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben aufgrund der Corona-Pandemie. Eine vorherige Terminvereinbarung per Telefon oder E-Mail ist momentan zwingend notwendig.

Technisches Museum der Bandweberei
Schulstraße 2
01900 Großröhrsdorf
Telefon 035952-48247
E-Mail: info@bandwebmuseum.de
Web: www.bandwebmuseum.de

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