Auch in diesem Jahr luden Pfarrer Norbert Littig und Bürgermeisterin Kerstin Ternes für Donnerstag, den 9. November um 11.30 Uhr zur stillen Besinnung anlässlich der Reichspogromnacht vor 79 Jahren an den Gedenkstein der Familie Schönwald an der Ecke Bankstraße / Bischofswerdaer Straße ein.
Bürgermeisterin Kerstin Ternes forderte in ihrer Rede auf,
dass Schlimme nicht zu vergessen, damit sich Gräueltaten in der Geschichte
nicht wiederholen: „Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 gehört zu den
schlimmsten und beschämendsten Momenten der deutschen Geschichte. Natürlich: Im
Vergleich zu dem, was noch kommen sollte, war sie nur ein Vorbote. Aber ihre
Geschehnisse waren auch für sich ein solcher Schlag in das Gesicht von
Humanität, Zivilisation und Anstand, dass wir dieses Datum nicht vergessen
dürfen.“ Deshalb erinnern wir in Großröhrsdorf ganz bewusst an diesen traurigen
Jahrestag und das damit unmittelbar verbundene Schicksal der Familie Schönwald.
Unsere Verantwortung ist es, solche Verachtung, Verfolgung
und Vernichtung von Menschen nie mehr zuzulassen. Nie mehr zuzulassen, dass
Menschsein abhängig gemacht wird von Rasse oder Herkunft, von Überzeugung oder
Glauben, von Gesundheit oder Leistungsfähigkeit. Nie mehr zuzulassen, dass
unterschieden wird zwischen "lebenswertem" und
"lebensunwertem" Leben.
Pfarrer Norbert Littig setzte sich in seiner Rede passend
zum 500jährigen Reformationsjubiläum kritisch mit dem Wirken und den Äußerungen
von Martin Luther zum Judentum auseinander.
Vor 500 Jahren löste Martin Luther mit dem legendären
Thesenanschlag eine Erneuerungsbewegung in Kirche und Gesellschaft aus. Aufgrund
seiner Bibelübersetzung bildete sich u.a. eine einheitliche deutsche Sprache
heraus, so dass wir uns heute überall verständigen können. Wir verdanken Martin
Luther alle sehr viel, jedoch hat er auch Fehler gemacht, sich geirrt und
Urteile von sich gegeben, die verhängnisvoll bis in unsere Tage hinein wirken.
Luther war der Überzeugung: Wenn es ihm gelingt, eine
wirkliche Erneuerung der Kirche und Gesellschaft zu bewirken, dann werden die
Juden von allein kommen, sich taufen lassen und Christen werden. Als sich diese
Hoffnung nicht erfüllt, schlägt Luthers Haltung in blanke Ablehnung über. Seine
theologischen Irrtümer werden in der NS-Zeit zur Rechtfertigung von Massenmord
missbraucht. Doch Luther war kein Rassist, aber sein theologischer
Antisemitismus bot einen guten Nährboden für den rassischen Antisemitismus der
Nationalsozialisten. Daher muss sein geistiges Erbe immer wieder kritisch
reflektiert werden.
Mit zwei Flötenstücken und einem jüdischen Lied begleiteten
die Schüler einer 5. Klasse des Ferdinand-Sauerbruch-Gymnasiums die
Gedenkstunde. Sie legten auch im Anschluss mit Bürgermeisterin Kerstin Ternes und Pfarrer
Norbert Littig eine weiße Rose und eine weiße Lillie sowie Kieselsteine am
Gedenkstein der Familie Schönwald nieder.
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